Ein Haus auf Reisen - die Translozierung des Flüchtlingssiedlungshauses in das Freilichtmuseum am Kiekeberg

Das Freilichtmuseum Kiekeberg ist ein Freilichtmuseum in Rosengarten im Gebiet der Harburger Berge, kurz vor den Toren Hamburgs.

Ein weiteres Exponat dieser einzigartigen Ausstellung soll das 1953 in der Gemeinde Tostedt erbaute Flüchtlingssiedlungshaus werden. Damit dieses aber im Museum auch erlebt und besichtigt werden kann, musste es vom ursprünglichen Standort in das 31 km entfernte Rosengarten „umziehen“. Das Translozieren (Versetzten) von Gebäuden ist ein Teil des großen Leistungsspektrums der Bennert GmbH und es konnten schon zahlreiche Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt werden. Dennoch ist jede Translozierung eine neue und einzigartige Herausforderung. Mehrere Monate lang bereitete unsere Firma das Flüchtlingssiedlungshaus für die Reise zum Kiekeberg vor. Zuerst wurde ein 3D-Aufmaß vom Innenraum des Hauses angefertigt, um eine passgenaue Aussteifungskonstruktion zur Stabilisierung des Hauses während des Transportes planen zu können. Ohne dieses Stahl-Skelett hätte die Gefahr einer Beschädigung oder gar des Zusammenbruchs bestanden.

Eine weitere Herausforderung stellte die Festlegung der exakten Transportstrecke dar. Aufgrund des insgesamt ca. 365 Tonnen schweren und ca. 8 m breiten beladenen Transportfahrzeuges, konnte dabei nicht über jede Straße oder durch jede Ortslage hindurch gefahren werden. So mussten auf der Fahrtroute die Demontage von Verkehrsschildern und Ampeln geplant sowie Bäume beschnitten werden, um eine beschädigungsfreie Durchfahrt zu ermöglichen. Für eine zusätzliche Gewichts- und Größenreduzierung des Hauses wurde noch das obere Drittel vom Dach demontiert. So wog das eigentliche Haus dann schließlich "nur noch" ca. 170 Tonnen. Nun wurde der oberirdischen Teil des Gebäudes vom Kellergeschoss abgetrennt, aufwendig ausgesteift und gegen äußere Witterungseinflüsse gesichert, um die etwa dreitägige Reise zur neuen Heimat schadfrei antreten zu können.

Parallel zu diesen Arbeiten war auf dem Museumsgelände ein zweites Bennert-Team tätig. Um den neuen Standort vorzubereiten, wurde ein neuer Stahlbetonkeller errichtet, auf dem das neue Haus dann abgesetzt werden soll. Hier realisierten unsere Mitarbeiter sämtliche Leistungen vom Aushub der Baugrube bis hin zum passgenau errichteten neuen Keller.

Am 27.01.2021 begann die Translozierung. In mehreren Schritten wurde das Gebäude mit acht Hydraulikpressen vorsichtig angehoben. An den Traufseiten unterhalb des Baukörpers montierte man nun hydraulische Verschubbahnen, auf denen das Haus am nächsten Tag wie auf Schienen horizontal langsam Richtung Straße bewegt werden konnte. Das Gebäude wurde dann von einem selbstfahrenden Schwerlastmodul unterfahren und darauf abgesetzt. Mit dem Selbstfahrer manövrierte der Fahrer per Joystick das Haus aus der engen Wohnsiedlung in Tostedt auf die Ortstraße. Anschließend erfolgte ein Umladeprozess des Hauses vom Selbstfahrer auf einen Tieflader mit 22 Achsen. Dieses wurde erforderlich, um mehrere Brückenbauwerke mit geringeren Achslasten überqueren zu können.

So machte sich die Kolonne auf den Weg nach Rosengarten. Frei nach dem Motto „Bei schönem Wetter kann das jeder!“ hatte das gesamte Team zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Enge Straßen, ein unvorhergesehener Wintereinbruch mit Eisglätte und Windböen verlangten von den Fachleuten alles ab. Die zuverlässige Zusammenarbeit der vielen am Transportprozess Beteiligten machte es möglich: Trotz winterlicher Straßenverhältnisse erreichte das Flüchtlingssiedlungshaus sicher seinen Parkplatz im Nachbarort Vahrendorf. Hier wurde das Haus erneut vom Tieflader auf den Selbstfahrer umgeladen. Dann ging es über die Ehestorfer Straße, die vorher mit Aluminium- bzw. Stahlplatten ausgelegt wurde, im Schritttempo ca. 1km auf das Museumsgelände. Hier war wieder Millimeterarbeit gefragt, denn das Fahrzeug musste an Bäumen, Zäunen und um viele Kurven zum Bestimmungsort. Gegen 18 Uhr wurde das Gebäude passgenau und unbeschadet auf den zuvor hergestellten Keller abgesetzt. Begrüßt wurde die neue Immobilie würdevoll mit einem beeindruckenden Feuerwerk. Trotz der winterlichen Verhältnisse und damit einhergehender Minusgrade war das Projekt ein voller Erfolg!

Da ein solches Projekt nicht nur für uns, sondern auch für die Region etwas Besonderes darstellte, begleitete uns ein Fernsehteam des NDR. Im Rahmen der Dokureihe „NDR Nordreportage“ wurde der Beitrag am 08.03.2021 ausgestrahlt.