Schloss Friedenstein - Notsicherung der einsturzgefährdeten Pfeiler im Kellergeschoss

Am Südrand des Thüringer Beckens umgeben von Boxberg, Seeberg und Krahnberg liegt Gotha, zentral vom Schlossberg mit der größten Barocken Schlossanlage Deutschlands bekrönt.

Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten beabsichtigt nun seit geraumer Zeit, die bisher unsanierten Bereiche des gewaltigen Residenzschlosses unter Wahrung seiner Authentizität als herausragendes historisches Gesamtkunstwerk instand zu setzen und so dieses für nachfolgende Generationen zu bewahren und zu präsentieren.

Umfangreiche statische Berechnungen ergaben, dass die über Jahrhunderte wirkende hohe Eigenlast des Ostturmes zusammen mit der zusätzlich einwirkenden Nutzlast sowie der daraus abzuleitenden Problematik der tertiären Kriechphase des Natursteinmauerwerks zur massiven Gefährdung der Standsicherheit der Pfeiler im untersten Turmgeschoss führen. Auch verschiedenste Berechnungsmodelle (u.a. Bruchmodelle nach Huster) konnten keinen Nachweis der Standsicherheit liefern.

Da sich Zusammenbrüche bzw. Einstürze plötzlich und unerwartet ohne Vorankündigung ereignen und sich die Pfeilerstruktur am Rande ihrer Tragfähigkeit befindet, wurde gemeinsam eine chronologische Reihenfolge für die dringend erforderlichen Notsicherungsmaßnahmen erarbeitet.

Aufgrund des hohen Gefährdungspotentials und Komplexität der anstehenden Aufgaben war es wichtig, neben Auftraggeber, Statiker-Team, dem zuständigen Prüfingenieur, dem verantwortlichen Sigeko und uns als beauftragten Unternehmen für die bauliche Umsetzung der geplanten Aufgaben vor Ort noch eine Vielzahl weiterer Personen verschiedenster Institutionen und Fachbereiche mit in diese Maßnahme einzubinden.

Zum Schutz der an dieser Bauaufgabe mitwirkenden Personen im Falle eines möglichen Gewölbeeinsturzes wurden für die erforderlichen Transport- und Laufwege sowie Arbeitsbereiche raumhohe und an das Gewölbe angepasste Rettungsschleusen segmentweise eingeschoben, untereinander ausgesteift und die minimal verbleibenden Zwischenräume oberhalb dieser Konstruktionen zum Gewölbe formschlüssig und druckstabil ausgefüttert.

Bereits die Montage der in unserer Metallwerkstatt vorgefertigten temporären Stahl-Sonderkonstruktionen erforderte eine fein abgestimmte Einbautechnologie, auch da bspw. die Räumlichkeiten nur unterhalb der baulich kontinuierlich fortschreitenden Sicherungskonstruktionen betreten werden durften.

Nachdem der Zugang zu den eigentlich statisch zu ertüchtigenden Bauteilen sicherheitstechnisch gewährleistet werden konnte, wurden in einem nächsten Schritt die Gurtbögen zwischen den beiden am meisten belasteten Pfeilern im Keller- und Erdgeschoss abschnittsweise mit einer bogenförmig an das Gewölbe angepassten Stahlkonstruktion abgestützt.

Unter größter Vorsicht begann danach die abschnittsweise Sicherung der drei unter dem Kellergewölbe freistehenden Natursteinpfeiler. Aufgrund der festgestellten Mehrschaligkeit sowie der Vielzahl an verschiedensten Rissbildern wurde trotz der vorbeschriebenen Sicherungen auf Eingriffe in die marode Bausubstanz selbst verzichtet. Es erfolgte lediglich eine vorsichtige Bestandsreinigung und das Auftragen einer von den Restauratoren vorgegebenen Trennlage, um den Bestand vor evtl. auftretenden baustoffschädlichen Einflüssen durch anschließend einzubauende Sicherungsmaterialien zu schützen.

Die eigentliche Sicherung der Pfeiler besteht aus jeweils einem umlaufend konstruierten Stahlträgerkorsett über die gesamte Pfeilerhöhe, welches sich mittels Stellschrauben an rückwärtig eingestellte Stahlbleche anpresst – so lange bis eine im Vorfeld definierte Spaltbreite zwischen den maßlich variierenden Natursteinoberflächen und den Stahlblechen erreicht wurde. Dieser Spalt wurde nun kontrolliert verpresst. Den letzten Sicherungsschritt bildete das Aufbringen einer mehrlagigen bewehrten Spritzbetonschale, welche nun das gesamte Stahlkorsett vollflächig einschließt und gleichzeitig schützt. Nachdem im Anschluss in ähnlicher Art und Weise noch die zwei an die Südaußenwand angrenzenden Pfeiler im Kellergeschoss gesichert werden konnten, ist somit der weitere Weg für die vorgesehenen Hochbausanierungsmaßnahmen in den darüber befindlichen Geschossen auf solider Gründung geebnet.